Die Mär vom Landrat im Birnenbaumland

Es war einmal Lars Krause, Größter Landesvorsitzender Brandenburgs aller Zeiten (GröLVBaZ) der Partei Die PARTEI, skrupellos, machtgeil und kinderlieb. Sein Lebenslauf war gefälscht, er lebte mit Vorliebe auf Staatskosten und für Zuwendungen aller Art war er jederzeit offen. Kurzum: Krause war Politiker durch und durch und durfte doch bei der letzten Landratswahl im sogenannten Havelland nicht mitspielen; er scheiterte grandios am bürokratischen Hürdenlauf. Diese Geschichte ist also eine Geschichte des Scheiterns, und wenn Sie sich am Schluss fragen, wer oder was hier eigentlich gescheitert ist, dann ist das glückliche Ende vielleicht nicht weit entfernt.

BirnbaumDie Provinz Havelland, welche Krause sich zu unterwerfen suchte, befindet sich westlich des Hauptortes der Republik Deutschlandistan in Brandenburg, SBZ. Dereinst regierte dort ein dunkelroter Landrat namens Burkhard Schröder, welchen bereits vor Ablauf seiner Amtszeit eine universelle Arbeitsunlust befiel, die seinen Rücktritt zur Folge hatte. Am 23.12.2015, am Tag vor der offiziellen Geburtstagssause des christlichen Heilands Lemmy Kilmister, beschloss der Ältestenrat, am 10.04.2016 sei es Zeit, einen Thronfolger vom Fußvolk krönen zu lassen.

Um seinen Namen auf dem Stimmzettel wiederzufinden, oblag es nun Krause und anderen Machtwilligen, deren Partei bisher in keinem Regierungsgremium vertreten war, sich im Rahmen einer Nominierungsversammlung als Kandidat auserwählen zu lassen und anschließend bis zum 04.02.2016 112 (in Worten: einhundertzwölf) Unterstützungsunterschriften (UU) zu sammeln, welche wahlwillige Bürger ausschließlich höchstpersönlich im ortsüblichen Bürgeramt, nicht etwa auf der schmutzigen Straße oder in finsteren Hinterhöfen, ableisten durften. Diese Zahl mochte auf den ersten Blick gering erscheinen, wuchs jedoch mit jedem vergangenen Tag auf Grund der Ladungsfrist für die Nominierungsversammlung, mit jedem Feiertag, mit jedem Quadratmeter des Brandenburger Flächenstaats, mit jeder abweichenden Öffnungszeit der insgesamt 13 betroffenen Amts-, Stadt- und Gemeindeverwaltungen.

Krause informierte und motivierte, versammelte und sammelte – und vereinte schlussendlich ganze 36 (in Worten: sechsunddreißig) UU auf sich. Als Neuhavelländer mit sorbischem Migrationshintergrund gelang es ihm trotz permanenter Präsenz in den einschlägigen Massenmedien nicht, die wenigen demokratiewilligen Lokalpatrioten davon abzubringen, einen der länger einheimischen Konkurrenzkandidaten per Unterschrift zu unterstützen; denn jedem Bürger ist nur eine einzige UU erlaubt. Nicht allen der 36 Krause-Unterstützer war dieses Wissen zuteil geworden, denn die Bürgeramtsdiensthabenden hüteten es wie einen Schatz, so dass drei der 36 UU für ungültig erklärt und den Banausen, welche sich mit der Doppelunterschrift nach geltender Gesetzgebung strafbar gemacht hatten, der Kerker angedroht wurde. Dass die Bürgerämter, indem sie ihrer Pflicht der Prüfung der Unterstützungsunterschriftenleistungstauglichkeit nicht nachkamen, in drei Fällen Beihilfe zu einer Straftat leisteten und daran beteiligt waren, UU ungültig zu machen, wurde als zu vernachlässigend erachtet. Dass der Piratenlandratsanwärter auf offener Straße und unter Aufmerksamkeit des wachsamen Medienauges im Out-of-Bed-Look UU (natürlich unabhängig vom Kandidaten, für den diese geleistet wurde) zum günstigen Preis von 5 (in Ziffern: 5) Euro UU erkaufte, ebenfalls. Der Holzbeinige durfte zur Wahl antreten, unser bärtiger Protagonist Krause nicht.

So sandte er dem Landeswahlausschuss als zuständiger Widerspruchsinstanz fristgerecht eine Depesche, welche eine vollendet formulierte Beschwerde enthielt. Da eine vermutlich vom Hexenmeister, dem Kreiswahlleiter, auf Mission entsandte nachtschwarze Katze jedoch beim Abschluss des Briefes durchs geschlossene Fenster auf seinen Schreibtisch sprang, das Wachssiegel zerkratzte, das Tintenfass umkippte und die Schreibfeder fraß, unterlief Krause ein entscheidender Formfehler: Er vergaß seine schwungvolle Signatur auf dem Pergament. Obgleich er diese in Absprache mit dem Kreiswahlleiter fristgerecht per neumodischem Faxgerät nachreichte, erkannte der technologisch rückständige Landeswahlausschuss diese Form nicht an.

So wurde unser Held zwar am 16.02.2016 vor den Ältestenrat des Landeswahlausschusses geladen, um seine Einwände erneut in mündlicher Form vorzubringen. Minute um Minute sprach er, fünfundzwanzig Minuten lang, inhaltlich und rhetorisch einwandfrei, schlagkräftig, mitreißend. Nach Ablauf dieser fünfundzwanzig Minuten überreichte man ihm nach kurzem einstimmigem Abnicken eine längst ausgefertigte Schriftrolle mit der Zurückweisung seiner Einwände, hauptsächlich aus Formgründen. Anders als üblich bestehe kein Vertrauensschutz für seine Absprache mit den Kreiswahlhexenmeister; und inhaltlich sei die Verkürzung der Fristen, die Beteiligung der Verwaltung sowie die Sammlung von UU gegen Münzen irrelevant für die Gültigkeit der Wahlzulassungen und -nichtzulassungen. Ein Protokoll dieser Zusammenkunft, eine öffentliche Sitzung, nebenbei erwähnt, wurde ihm nicht zugänglich gemacht – aus Datenschutzgründen. Privatssphäre scheint ein unendlich hohes Gut in einer Welt, in der unser Held vor der Weitergabe seiner Daten an ihn selbst geschützt wurde! Das Informationsfreiheitsgesetz, laut welchem die Verwaltung freien Zugang zu Daten wie Sitzungsprotokollen gewähren muss, finde an dieser Stelle keine Anwendung, da der Landeswahlausschuss mitnichten Teil der Verwaltung sei.

Gescheitert an den Unterstützerunterschriften. Gescheitert am Landeswahlausschuss. Doch damit ist diese Geschichte des Scheiterns längst nicht erzählt.

Die sogenannte Wahl wurde ohne unseren Krause veranstaltet. Einmal. Zweimal. Zunächst erhielt, da Krause fehlte, naturgemäß kein Kandidat die notwendige Mehrheit; in einem schwarz-roten Stichwahlduell zwischen den Meisterwählten – CDU-Roger Lewandowski und SPD-Martin Gorholt – wurde die Mindestwahlbeteiligung knapp verfehlt: Es fehlten exakt 175 Stimmen, um den von 53,23% des Wahlviehs erkorenen CDU-Roger vor dem von 46,77% erwählten SPD-Martin zum Landrat zu krönen. 2,82% oder 1081 Stimmen wurden übrigens für ungültig erklärt, entfielen also eindeutig auf unseren Krause.

Diese Zahl wurde als im Vergleich zu anderen Wahlen unverhältnismäßig hoch erachtet. Gleichzeitig fiel in einem Wahlkreis auf, dass am Tage der Auszählung 75 Stimmen falsch gemeldet worden waren. Zwei unbescholtene Bürger trugen aus diesen Gründen vor dem Kreistag der Provinz Havelland ihr Anliegen vor, alle Stimmen neu auszuzählen, um sicherzugehen, dass der knapp gescheiterte Bürgerentscheid tatsächlich gescheitert war. Lediglich eine Neuauszählung, keine Wahlwiederholung, wie sie an Telefonen und merkwürdigen Ländern wie Österreich üblich sein mag, wurde vorgeschlagen. Der Kreistag folgte jedoch in seiner Entscheidung der überaus schlüssigen Argumentation des Kreiswahlhexenmeisters, welcher zu bedenken gab, dass bei einer Neuauszählung nur noch mehr Lapsus entdeckt werden würden, was wenig wünschenswert sei.

Dem magischen Kreistag oblag es somit, den Landrat in einem dritten Wahlgang selbst zu erwählen. In allen europäischen Landen, nah wie fern, verbreitete er die frohe Kunde, dass ein Thron frei sei, und ließ eine Stellenausschreibung von allen Bänkeln singen, welche auf wundersame Weise in allen Punkten schicksalhaft eine einzige Person beschrieb, die nicht unter den Mandarinenbäumen Spaniens, nicht unter den Nordlichtern Schwedens, nicht unter den Brücken Rumäniens zu finden war, sondern sich völlig unerwartet nicht an der Peripherie, nein, sogar im Mittelpunkt des magischen Kreises befand und als einziger aller angetretenen tapferen Recken „Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Kommunalverwaltung“ im „erwünscht[en]“ Maße nachweisen konnte: Fortuna schien den bisher stellvertretenden und kommissarischen Landrat CDU-Roger als Nachfolger des dunkelroten Schröders erkoren zu haben. Dieser Bestimmung konnte sich der Kreistag natürlich nicht entziehen, zumal nirgendwo in der Ausschreibung festgehalten war, dass Behinderte oder Frauen oder behinderte Frauen bei gleicher Eignung zu bevorzugen seien. Und so stand laut einschlägiger Presse bereits einige Erdumdrehungen vor der Kreistagszusammenkunft, in deren Rahmen sich alle Kandidaten aus Nah und Fern überhaupt erst vorstellen durften und der Schröder-Nachfolger gewählt werden sollte, der Thronfolger fest – die Zählgemeinschaft unter den Etiketten von CDU, SPD, FDP, Bauern- und Familienpartei, welchen mehr als die Hälfte der Kreistagsältesten angehörten, hatte gesprochen.

SPD-Martin entschied sich spontan, seine Bewerbung zurückzuziehen, und entging auf diese Weise knapp einer gar peinlichen Niederlage. Die anderen zehn Ritter traten zu den Spielen an und erhielten exakt fünf mal sechzig Sekunden, um ihre ehrenhaften Absichten dem Ältestenrat glaubhaft zu machen. Held Krause fesselte nicht nur die anwesenden Zivilisten mit unbestechlichem Humor und Brillanz, sondern auch die besorgten Bürger des AfD-Geheimbunds, welcher ihn – nebst allen anderen Kandidaten – im Sinne der Demokratie, der er dient, zur Wahl vorschlug. Die Vision der PARTEI, alle havelländischen Wut- und Besorgtbürger in einen Glatzenpark an der Grenze zu Sachsen-Anhalt umzusiedeln, damit diese dort die Wirtschaftsflüchtlinge aus dem Anhaltinischen abwehren können, sagte ihnen offenbar zu. Nach nur einem Wahlgang erfüllten sich das Schicksal CDU-Rogers und der Demokratie – der Aufstieg des einen zog den Niedergang der anderen nach sich.

Unserem Krause verblieb noch ein einziger Weg, um diesen Niedergang aufzuhalten, doch eine Einstweilige Anordnung gegen die Berufung CDU-Rogers zum Landrat wies das Verwaltungsgericht Potsdam zurück. Gleichzeitig beschloss es, unseren armen Helden für seine edlen Intentionen gehörig zu schröpfen: Je öfter er nach dem gebührenden Zoll für seine Rechtseinwände fragte, umso höher fiel diese aus. Vor Klageerhebung lautete die Auskunft noch auf 200 Münzen; gezahlt werden mussten bisher 1.218 Münzen. Grund dafür war, dass das hohe Gericht den Wert des Streitgegenstands schlicht und einfach massiv unterschätzt hatte. Was bei einem Regelstreitwert von 5.000 Münzen begann, sollte dann 7.500 und zuletzt gar 25.000 wert sein. Da eine Verhandlung noch aussteht, ist dieser Bierdeckel noch offen; Held Krause hat Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung eingelegt und seine Kumpanen zur Hilfe gerufen: Unter der Parole „Crowdsue the Havelland“ steht es jedem Bürger frei, den Landesverband Brandenburg über das Sonderkonto mit der Nr. DE42 4306 0967 1179 4571 09 bei der GLS-Bank gegen einen feuchten Händedruck und – bei Angabe der Anschrift – eine handsignierte Spendenquittung mit einem selbsterwählten Münzbetrag zu unterstützen.

Viele lose Enden finden sich noch in dieser Geschichte des Scheiterns – ein Charakter hat es jedoch zum Happy End gebracht: SPD-Martin wurde Ende August als gescheiterter Landratskandidat vom Woidtke-Regime zum neuen Landesvertreter Brandenburgs auf Bundesebene ernannt. Brandenburg kümmert sich um seine Kinder. Und wenn er nicht zurückgetreten ist, vertritt SPD-Martin uns noch heute. (KH)